(Es gilt das gesprochene Wort)
„Sehr geehrter Bürgermeister,
Sehr geehrte Damen und Herren,
Die Fokussierung fehlt!
Nachdem wir im vergangenen Jahr die positiven Auswirkungen der allgemein guten wirtschaftlichen Gesamtentwicklung auch im Oelder Haushalt wiedergefunden haben, gibt es 2019 einen nur fiktiv ausgeglichenen Haushalt. Trotzdem besteht kein Grund zur akuten Sorge, da die Gewerbesteuerkurve nach oben zeigt und das Vorjahresergebnis unseren „rechnerischen Puffer“, die Ausgleichsrücklage, anwachsen lässt.
Gleichwohl können große Projekte wie die Dreifach-Turnhalle, Sanierung und Umbau von Schulen, das Feuerwehrgerätehaus in Lette, der Marktplatz oder auch z.B. die Investitions- und Sanierungs-Zuschüsse an Oelder Vereine nicht durch zusätzliche Einnahmen, sondern immer nur kreditfinanziert gestemmt werden.
Löblich ist, dass der Bürgermeister im kommenden Haushaltsjahr 2Mio unserer Schulden tilgen will. Allerdings wird sich der Oelder Schuldenberg eben aufgrund vieler Investitionen bis zum Ende des Planungszeitraums auf 67 Mio € nahezu verdoppelt. Da relativiert sich die in diesem Zusammenhang proklamierte Generationengerechtigkeit dann doch wieder. Generationengerecht heißt für uns v.a. auch „Nachhaltigkeit“ und an diesem Kriterium werden wir nicht nur zukünftige Investitionen, sondern auch laufende Aufgaben grundlegend und generell messen müssen.
Uns reicht schon der Blick auf die Diskussionen des diesjährigen Klimagipfels in Katowice, um zu sehen, hier fehlt etwas im Haushalt und den Etat-Diskussionen:
Die Fokussierung auf drängende zentrale Zukunftsaufgaben und eine klare Strategie, hier unseren Oelder Beitrag zu leisten. Die Haushaltsrede des Bürgermeisters spricht für sich: Das Wort Klimaschutz kam mit keiner Silbe vor. Kann das sein? Für Oelde offensichtlich symptomatisch. Anzeichen, geschweige denn konkrete Maßnahmen hinsichtlich eines nachhaltigen Klimaschutzes sind im Haushalt nicht ansatzweise erkennbar. Außer kleineren punktuellen Ansätzen keine Linie.
Das Oelder Klimaschutzkonzept sollte seinerzeit eine Weichenstellung in Richtung Zukunft sein. Die Zielsetzung war es, den
CO2-Ausstoß von 273.000 Tonnen CO2 im Jahre 2015 um 46.000 Tonnen CO2 bis 2020 zu senken. 2020 steht so gut wie vor der Tür und Oelde hat runde 2500 Tonnen CO2 effektiv geschafft. Nur knappe 5% des gemeinsam beschlossenen Zieles sind erreicht! Angesichts der damals schon extrem konservativen Zielsetzung einer CO2-Ausstoß-Senkung um minimale 17%, anstatt der eigentlich notwendigen 30% ist das für eine Kommune, die prosperieren und auf ihre Stärken und Kompetenzen stolz sein möchte, ist dies kein Ruhmesblatt – Selbst ein beherzter Endspurt, der leider auch nicht in Sicht ist, wird die bisherigen Versäumnisse nicht wettmachen können.
In Oelde fehlt der politische Wille, sich konsequent mit erforderlichen Maßnahmen auseinanderzusetzen und die Ziele in den vielen bereits vorhandenen Konzepten auch zu realisieren. Notwendig sind konsequente Maßnahmen beim Thema Mobilität und insbesondere ein rasanter Ausbau bei den erneuerbaren Energien. Sie diskutieren immer noch über das banale Thema neue Parkplätze und nebenbei muss noch jeder Fahrradbügel extra beantragt werden. Die Welt um uns herum ändert sich dramatisch. Neue Mobilitätskonzepte werden dringender benötigt als manchem hier im Raum lieb ist. Weniger automobiler Verkehr ist das Gebot der Stunde! Wo sind die zielführenden Konzepte für Oelde? Mitfahrbänke sind schön, kosten auch nichts, aber sie tragen nicht ansatzweise zu einer effektiven Entlastung der Verkehre bei. Der Ausbau des ÖPNV ist eine zwingende Alternative dazu. Die bauliche Ermöglichung von Solaranlagen auf allen städtischen Neubauten ist nach wie vor nicht selbstverständlich und sobald in Oelde das Thema Windkraft fällt, scheint die gesamte politische Oelder Welt in Schockstarre zu fallen. Die aktuelle CDU/FDP Landeregierung hat mit dem neuen Windkraft Erlass allen Akteuren einen weiteren Knüppel zwischen die Beine geworfen. Ein Armutszeugnis! Aber:
Warum gibt es keine Anstrengungen der Stadt gemeinsam mit den Stadtwerken SO dieses Thema konsequent anzugehen?
Warum klappt noch nicht einmal einfache Signalsetzung einer Teilnahme am European Energy Award?
Selbst die unter sehr geringem Aufwand umsetzbare Einführung Oelde als „Fairtrade“ Kommune war nicht möglich.
Aus Sicht von Bündnis90 / Die Grünen fehlt es an einer klaren Willensbezeugung von Verwaltung und Rat. Wir möchten an dieser Stelle ausdrücklich die vielen kleinen Aktionen und das starke Engagement der Klimaschutzmanagerin Frau Gröne ausnehmen. Für uns sieht das leider viel zu oft aus wie der sprichwörtliche Kampf gegen Windmühlen.
Wie die Diskussionen in Katowice, aber auch der Starkregen in 2015 sowie der Dürresommer 2018 gezeigt haben: Die Zeit drängt! Wir sprechen schon lange nicht mehr vom Klimawandel, sondern von der Klimakatastrophe, in der wir uns bereits befinden.
Wir werden uns in Zukunft offensiver für das Ziel stark machen, dass Oelde eine klimaneutrale Kommune wird. Im Sinne unserer globalen Verantwortung möchte ich an dieser Stelle an alle Anwesenden appellieren, an diesem Ziel mitzuarbeiten.
Das weitere, immer stärker in den Vordergrund tretende, Thema ist der fehlende, bezahlbare Wohnraum in und um Oelde. Auch ohne eine Verschärfung der Situation durch die Amazon-Ansiedlung müssen wir dringend handeln!
Bezahlbarer Wohnraum für Menschen mit geringem Einkommen ist schon lange nicht mehr vorhanden. Hier fordern wir neue und nachhaltige Maßnahmen: Einer zusätzlichen Förderung, z.B. für Wohnraummobilisierung, haben Sie nicht zugestimmt. Für Sie war es ausreichend, Investoren durch Zugeständnisse zum Invest zu bewegen. Der Markt alleine wird es nicht richten! Denn der Markt hat uns die verschärfte Wohnraumsituation, die wir heute haben, überhaupt erst beschert. Im letzten Jahr haben Sie den Antrag „Jung kauft Alt“ gestrichen. Heute können wir feststellen, dass offensichtlich selbst die Landesregierung NRW nicht mehr ganz dem Markt vertraut und genau diese Förderung landesseitig aufgelegt hat. (Ich sag es nicht gerne – aber nehmen Sie sich doch mal hier ein Beispiel an Schwarz-Gelb)
Für uns gehört die Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum zur Daseinsvorsorge, deshalb steht auch Sinn und Zweck einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft nicht in Frage und wir hoffen, dass die Bearbeitung des Beschlusses hierzu letztendlich zu konkreten Ergebnissen führen wird.
Zwei begrüßenswerte Entscheidungen, die im Rahmen der HH-Beratungen getroffen wurden, möchte ich hier nicht unerwähnt lassen: Beim Thema Integration in Oelde wirkt sich die hervorragende Arbeit der vielen Ehrenamtlichen äußerst positiv auf die Gesamtlage aus. Die Integration derer, die jetzt hier bei uns in Oelde eine neue Existenz aufbauen möchten, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, deshalb begrüßen wir die Schaffung einer Stelle zur Integrationsarbeit. Ebenso befürworten wir die Entscheidung, das Thema Schulsozialarbeit zur weiteren gründlichen Beratung in den Jugendhilfeausschuss zu nehmen.
Kommen wir zum Schluss:
Aus rein oberflächlicher finanzieller Betrachtung heraus bringt der vorliegende Haushalt wenig negative Effekte. Obwohl wir – wie ausgeführt – starke Defizite speziell im Klimaschutz und bei der Wohraumsituation sehen, stimmen Bündnis 90/Die Grünen dem Haushalt zu.
Vielen Dank!“