Sehr geehrter Bürgermeister,
Sehr geehrte Damen und Herren,
Das Jahr 2012 wurde maßgeblich bestimmt durch die Eurokrise und die düsteren Aussichten der globalen Wirtschaft. 2013 verheißt kaum Besserung. Die Griechen erleben derzeit was es heißt, herbe Einschnitte hinzunehmen und sich von vertrauten Gewohnheiten zu verabschieden. Trotz enormer Anstrengungen scheint es wohl unmöglich, den Haushalt zu konsolidieren und die gemachten Schulden jemals zurückzuzahlen, wenn man führenden Ökonomen Glauben schenken kann. Die Finanzsituation der NRW Kommunen ist zwar nicht mit der Griechenlands vergleichbar, sie zeichnet allerdings ebenfalls ein negatives Zukunftsscenario: Das strukturelle Defizit der Kommunen ist flächendeckend! Was selbstverständlich auch Oelde einbindet. Die Verabschiedung von vertrauten Gewohnheiten ist ja mittlerweile in abgeschwächter Form auch bei uns schon angekommen.
Trotz der großen Anstrengungen in den vergangenen 3 Jahren ist es uns nicht gelungen, die Ausgaben soweit runterzufahren, dass der Haushalt ausgeglichen werden kann. Neben der möglichen Abundanzumlage und den wohl nie wieder kommenden Schlüsselzuweisungen des Landes – wie auch der Bürgermeister in seiner Rede erwähnt hat – zeichnet sich eine fragile wirtschaftliche Situation 2013 ab. Die Steuereinnahmen werden aufgrund negativer Konjunkturaussichten voraussichtlich eher sinken. Das Ziel, das strukturelle Defizit im Haushalt der Stadt unter die 5% Grenze zu drücken scheint extrem schwierig.
Unter Berücksichtigung dieser äußerst schwierigen Rahmenbedingungen, fallen die Haushaltsberatungen für 2013 unter das Motto: „Nachhaltigkeit ist Zukunft!“ Was heißt das?
Die Erfüllung der städtischen Pflichtaufgaben (insbesondere der neue Feuerwehr Standort und die Betreuung unserer Kinder) sind durch den Rat nur marginal zu beeinflussen und somit nicht Gegenstand verhandelbarer Masse. Hier bestimmt der Gesetzgeber den Rahmen. Unser Gestaltungsspielraum ist minimiert! Die nachhaltige Entwicklung unserer Stadt ist uns dennoch ein zentrales Anliegen. Der geringe zur Verfügung stehende Handlungsspielraum macht es aus Sicht von Bündnis 90 / Die Grünen notwendig, die Projekte auf der Ausgabenseite des Haushalts der kritischen Prüfung auf Nachhaltigkeit zu unterziehen. Auch die kreative Suche nach möglichen zukünftigen Einnahmequellen sollte uns beschäftigen.
Als Synonym für Nachhaltigkeit steht der Klimaschutz. Wir haben leider schmerzlich erfahren müssen, dass der Klimaschutz in Oelde auch extrem kleine Hürden nicht überwinden kann. Die Ablehnung des European Energy Award war insgesamt blamabel für die Stadt. Zeigt sich gerade an diesem Beispiel, dass durch sinnvolle Investitionen in die Zukunft, nachhaltige Strukturen implementiert und Kosten gesenkt werden könnten. Inwieweit das eilig konzipierte integrierte Klimaschutzkonzept uns hier weiterhilft, wird spätestens dann erkennbar, wenn wir im Rat über Ausgaben – besser Investitionen – für Zukunftsprojekte sprechen und erkennen müssen, dass der Klimaschutz nach wie vor hauptsächlich nur von der Eigeninitiative einzelner abhängt, jedoch nicht als kommunale Aufgabe mit hoher Priorität gesehen wird.
Was aus unserer Sicht konträr zu den gewünschten nachhaltigen Entwicklungen steht, finden wir im Haushalt zunächst im Straßenbau wieder:
Der Ausbau des Landhagens für 1,6 Mio € ist aus unserer Sicht nicht vertretbar. Wir leisten uns hier zusätzlich noch einen Kreisverkehr an einer Straßenmündung: Eine ziemlich teure „Aufhübschung“. Der ausgebaute Landhagen bringt keinen nachhaltigen Nutzen für die Stadt. Im Gegenteil: Er steht für eine unzeitgemäße Verkehrsentwicklung, da er zusätzlichen Verkehr anziehen wird.
Die allgemeine finanzielle Situation gibt berechtigten Anlass zu der Hoffnung, dass das Hirngespinst der Verlängerung des Landhagens zur Ostenfelder Straße und damit eine neue Schnellverbindung nach Münster für lange Zeit vom Tisch ist.
Der Ausbau des Weitkamps ist aus unserer Sicht ebenfalls keine Investition, die z.Zt. dringend notwendig ist. Eine Verschiebung auf weit über 2014 hinaus ist aus unserer Sicht vertretbar. In diesem Zusammenhang möchten wir gerne auf das Thema einer möglichen Nord-Süd-Verbindung des Bahnhofes für Fußgänger und Radfahrer verweisen. Wir unterstützen ausdrücklich weitere Untersuchungen der Verwaltung zu einer überirdischen Variante der Verbindung. Auch die Prüfung von heute nicht vorhandenen park-and-ride Möglichkeiten für Bahnpendler sind aus unserer Sicht eine verkehrstechnisch sinnvolle Überlegungen, da auch so Verkehre positiv entwickelt werden können: Weniger PKW – mehr Klimaschutz.
Dass wir den Bau von Kunstrasenplätzen in den Ortsteilen Oelde als besonders kritisch ansehen, haben wir wiederholt betont. Hier ist für uns in keinster Weise der Anspruch an Nachhaltigkeit – weder ökonomisch noch ökologisch – gegeben. Instandhaltungs- und Entsorgungskosten werden unsere kommenden HH über Jahre belasten. Die Diskussionen, ob ein Kunstrasen eine Dorfschule rettet oder den Arzt wieder zurückholt, ist gefährlich und nicht zielführend . Fakt ist, dass die Geburtenraten bereits jetzt so niedrig sind, dass die Ortsteile gezwungen sein werden, mit dieser Entwicklung konstruktiv umzugehen und Infrastruktur bedarfsgerecht und nicht überdimensioniert vorzuhalten.
Für die Entwicklung unserer Ortsteile liegen aus unserer Sicht größere Potentiale in der Umsetzung der bestehenden Dorfentwicklungskonzepte und die kontinuierliche Weiterentwicklung neuer Strategien und Ideen aus den Dorfgemeinschaften heraus. Deshalb findet der Ansatz zur Dorfentwicklung im Haushalt unsere Zustimmung.
Die Oelder Schullandschaft vollzieht derzeit ihren seit Jahrzehnten größten Wandel. Die Ausrichtung der Schullandschaft auf die zukünftigen Anforderungen unserer Gesellschaft, ist für uns Grüne ein zentrales politisches Anliegen.
Der Elternwille zur Etablierung einer Gesamtschule war qualifiziert und ist eindeutig und deckt sich mit unseren Vorstellungen einer zeitgemäßen und zukunftsorientierten Schul- und Bildungslandschaft. Wir haben diesen Prozess als Bündnis 90 / Die Grünen über einen längeren Zeitraum ja sehr aktiv begleitet und freuen uns über dieses Ergebnis.
Glücklicherweise haben wir in Oelde eine bestehende Gebäudestruktur, die die bedarfsgerechte Einrichtung der Gesamtschule zumindest gebäudetechnisch erleichtert. Die Aktivierung der Gesamtschule mit Inhalten und motivierten Schülern, Lehrern und Eltern wird den jedoch ihren zukünftigen und langfristigen Erfolg bestimmen. Wir sind zuversichtlich, dass die z.Zt. arbeitende Gruppe hier eine Steilvorlage geben wird. Wir sehen übrigens durchaus eine realistische Koexistenz der Gesamtschule zum Gymnasium und werden hier alle Bemühungen von Kooperationen unterstützen. Es wird dem Leben in unserer Stadt nicht guttun, wenn aus zwei Gräben des dreigliedrigen Schulsystem nun ein großer Graben zwischen Gesamtschule und Gymnasium gezogen wird. Wir werden uns bei der weiteren Entwicklung weiterhin in gewohnter sachlicher Weise engagieren.
Die Grundschulschließung in Sünninghausen und die drohende in Lette sind eindeutig dem demographischen Wandel geschuldet. Niemand will einfach so Schulen schließen – aber zu behaupten, dass man, in dem man Geld in die Hand nimmt und verbaut, die notwendige Erhöhung der Geburtenrate erhält, ist schlichtweg unrealistisch und Augenwischerei. Wir sollten die Realitäten anerkennen und durch die zuvor erwähnte Entwicklung neuer Strategien der Dorfentwicklung versuchen, neue Wege aufzuzeichnen.
Alle vorliegenden Zahlen belegen übrigens auch den negativen Einfluss des demografischen Wandels in Oelde selbst. Nur durch die ständige Attraktivierung der Stadt vermeiden wir den Weggang junger Leute in die attraktiveren Oberzentren oder fördern ihr „Zurückkommen“. Dazu zählt selbstverständlich ein attraktives Arbeitsplatzangebot, was wir in Oelde durchaus bieten, aber eben auch eine intakte städtische Infrastruktur. Ist diese nicht gegeben, ist der Zuzug junger Leute ungewiss und der Abgang vorprogrammiert. An dieser Stelle möchte ich nochmals ausdrücklich darauf hinweisen, dass z.B. offensive Klimaschutzmaßnahmen diesen gewünschten Trend stark unterstützen. Junge Leute registrieren sehr wohl, ob deren Umfeld sich den zukünftigen Problematiken stellt oder sich verweigert.
Deshalb werden wir auch die Ausweisung weiterer Baugebiete kritisch begleiten. Unkontrollierter Flächenfraß stößt auf unsere Ablehnung. Bei dem Gebiet Polterkuhle haben wir auf besondere Berücksichtigung energiearmer Bauweise bestanden, um hier ein ökologisch tragfähiges Baukonzept zu ermöglichen.
Im sozialen Bereich möchten wir nochmals darauf hinweisen, dass wir die Pro Arbeit mit einem langfristigen Vertrag unterstützen möchten.
Zum Abschluss möchte ich noch einmal kurz auf das Thema Zukunftsfähigkeit unserer Stadt eingehen. Die Einnahmeseite wird heute maßgeblich bestimmt durch das Gewerbesteueraufkommen. An den Hebesätzen lässt sich nun mal aus wettbewerbsgründen nur marginal etwas ändern. Wir müssen auf andere Weise unsere Kreativität entfalten.
An dieser Stelle ist die Frage zu diskutieren, wie Oelde am existierenden Energiemarkt zukünftig partizipieren kann, um die Wertschöpfung im eigenen Haus zu behalten. Allein in Oelde wurden 2010 21,8 Millionen € für Strom und 36,01 Millionen € für Wärme aufgewendet. Das Energieverbrauchspotential nur für den Raum Oelde lag somit bei runden 58 Millionen €. Der CO2 Ausstoß in Oelde betrug nur am Rande erwähnt: 321.235 Tonnen in 2010. Bekannt ist auch, dass Energiepolitik nur in langfristigen Zeiträumen gestaltet werden kann. Zeitfenster von bis zu 30 Jahren sind durchaus die Regel. Wir möchten nochmals darauf hinweisen, dass die Prüfung des Rückkaufs der RWE-Anteile und die konsequente Entwicklung einer Strategie zur eigenen Energieerzeugung und Vermarktung offen gehalten werden sollte!
Hier besteht eine der ganz wenigen Möglichkeiten, uns zukünftig aus der Falle des strukturellen Defizites zu verabschieden. Mittlerweile gibt es genügend positive Beispiele, die dieses Szenario stützen. An dieser Stelle hilft Weitsicht und die Abstützung auf unabhängige Expertise. Die vorliegenden Zahlen sprechen sicherlich eine andere Sprache, haben aber wesentliche Aspekte einer Langfristplanung mit anderen Vorzeichen, wie eigener Stromproduktion nicht berücksichtigt. Wir erwarten an dieser Stelle eine offene Diskussion ohne voreilig sämtliche Optionen zu verschließen.
Dem Zusammenschluss mit der EVB stimmen wir ausdrücklich zu, denn nur so lassen sich Synergien nutzen und ein entsprechend großer Markt herstellen.
Aufgrund der anfangs beschriebenen Ausgangslage eines strukturellen Defizites, sind aus unserer Sicht die nicht nachhaltigen Maßnahmen im Straßenbau und auch Kunstrasenprojekte der falsche Weg. Das lehnen wir ab. Nachhaltige Investitionen in den Klimaschutz und die Förderung zukunftsorientierter Verkehrs- und Bauplanung werden auch in Zukunft in unserem besonderen Focus liegen. Der vorliegende Haushalt ist prinzipiell ausgewogen und beinhaltet aus unserer Sicht keinen zwingen Ablehnungsgrund.
Bündnis 90 / Die Grünen stimmen dem Haushalt zu.
Vielen Dank