Am 16.12. wurde der Haushaltsplan 2020 im Rat der Stadt Oelde verabschiedet. Die Haushaltsrede für Bündnis 90/Die Grünen hielt Fraktionssprecherin Barbara Köß. Es gilt das gesprochene Wort.
„Sehr geehrter Bürgermeister Sehr geehrte Damen und Herren,
Die Tendenz passt, aber die Fokussierung fehlt!
Analog zu den vorangegangenen Jahren, fußt der Haushalt der Stadt Oelde immer noch auf recht soliden Basisdaten. Sah es vor wenigen Wochen noch so aus, dass die Stadt Oelde die volle Breitseite mit runden 5,9 Millionen € Defizit bekommt, der Haushalt ist aktuell zwar nicht ausgeglichen, die Situation ist mit einem Defizit von1,7 Millionen € jedoch entschärft und es verbleiben gewisse Spieräume für die Planungen. Auch wenn sich die Schuldenlage in den nächsten Jahren massiv verschlechtern wird, begrüssen wir, dass in diesem Jahr nochmals 3,3 Millionen € alte Schulden getilgt werden.
Über allem jedoch ändert sich die globale Gemengelage allerdings signifikant:
Wir
haben eine Klimakrise, die entschlossenes Handeln verlangt und – trotz
sich verdüsternder ökonomischer Rahmenbedingungen in Form einer sich
abkühlenden Konjunktur – ein starke Fokussierung erfordert, welche die
Realitäten uneingeschränkt anerkennt.
Schon heute kostet der Klimawandel Milliarden von Euro. Die aktuellen Zahlen der Entwicklungsorganisation Germanwatch belegen, dass Deutschland mittlerweile unter die Top 3 der 2018 vom Klimawandel am stärksten betroffenen Regionen lag. Mit belegten Kosten von 4,5 Milliarden Euro und über 1200 Todesfällen. Die aufgezeigten Szenarien des Weltklimarates während des Weltklimagipfels in Madrid sind nicht nur alarmierend, sondern extrem bedrohlich für uns alle. Unisono geben die führenden Klimaforscher uns noch runde 8 Jahre massiv entgegenzusteuern. Mit kosmetischen und freiwilligen Einlagen ist dieser Menschheitsaufgabe nicht beizukommen. Die Dürresommer 2018 und 2019 – auch hier in Oelde – sind nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was die Wissenschaftler berechnet haben und uns hier vor Ort treffen wird.
Die politischen Akteure im Rat jedoch scheinen die gewaltige Herausforderung des Klimawandels leider immer noch nicht erkannt zu haben. Das zumindest legen die ablehnenden Argumente von CDU und FDP zum Thema Klimavorbehalt nahe.
Was ist die Antwort von CDU und FDP: Klimahysterie und Verbots-Irrsinn. Toll, liebe Kolleginnen und Kollegen, aber damit ist keinem geholfen. Wir müssen das große Rad drehen wie zum Beispiel den massiven Ausbau der regenerativen Energien. Hier sieht die Situation in Oelde so aus, dass wir in 2019 und der nahen Zukunft keinen weiteren Zubau von Windkraft zu verzeichnen haben. Die aktuellen Vergleichszahlen des Landes NRW zeigen für Oelde eine Ausnutzung des Oelder Windkraftpotentials von lediglich 17,4%. Bei der möglichen Ausnutzung der Solarenergie liegen wir in Oelde bei lediglich 8,2% des Potentials bei Dachanlagen und 5,1 % bei Freiflächenanlagen. Diese Bereiche würden dem Klimaschutz den nötigen drive bringen und unsere Klimabilanz verbessern.
Und was tut die Stadt von sich aus? Neben einigen energiesparenden Maßnahmen, die zwar richtig sind, aber im Rahmen von Sanierungen sowieso fällig wären, plant sie ein Volumen von 30.000 € für Photovoltaikanlagen auf den eigenen Dächern ein. Das sind 0,25 % des 2020 veranschlagten Investitionsvolumens im Hochbau!!!
Auch die massive Änderung des Mobilitätsverhaltens durch die wirkliche Attraktivierung des ÖPNV und durch ein klares Ziel den städtischen Radverkehr von heute 24% auf 40% zu bringen würde CO2 Emissionen senken. Der Umstieg vom Auto auf den ÖPNV wird nur gelingen, wenn wir diesen attraktiv und sozial ausgewogen gestalten. Das muss jetzt vorangetrieben werden! Verehrte CDU – beim Thema eines kostenlosen ÖPNV machen Sie eine Riesenwelle und kneifen, wenn es darum geht, dieser auch Taten folgen zu lassen. Unseren Antrag, Geld einzustellen, damit es nach wirklich nach vorne geht, lehnen Sie ab. Unsere Bürger*innen haben nun zwar kleine Bus-Aktionen zum HET und FET, stehen sich das ganze Jahr aber immer noch am Bahnhof die Beine in den Bauch und kommen nicht vernünftig in die Ortsteile.
Stattdessen steht für Sie, aber leider auch für die anderen Fraktionen und die Verwaltung, der teure Bau von Parkplätzen und die Förderung des Autoverkehrs immer noch ganz oben auf der Agenda.
Zum Glück haben wir in Oelde mittlerweile eine immer stärker werdende Fahrradfahrer-„Gemeinde“, die ein starkes Interesse an einer lebenswerten Stadt und guter Radverkehrsinfrastruktur hat. Wir hoffen, dass das Mobilitätsteilkonzept hier zügig eine Wirkung entfaltet und haben es zusammen mit FWG und SPD auch noch ein wenig aufstocken können.
Stattdessen lesen wir von Baumpflanzaktionen die keinerlei signifikante Wirkung entfalten. Der CDU Antrag „Fälle einen Baum und pflanze zwei“ heißt konkret, dass wir bei dem Haushalthaltsansatz von 30.000€ immerhin 50 Bäume fällen können – die Nachpflanzung natürlich auf freiwilliger Basis. Liebe CDU Kollegen: Merkt ihr selber dass das nichts bringt oder? Nur nochmals zur Erinnerung: Mit Abschaffung der Baumschutzsatzung durch die CDU/FDP haben Sie der grünen Lunge der Stadt Bärendienst erwiesen. Alte Bäume sind leider aus dem Stadtbild verschwunden.
Für uns Grüne ist die Neu- und Nachpflanzung, v.a. aber auch der Erhalt des Baumbestandes, wesentlicher Bestandteil der Anpassung des Stadtklimas an die Folgen des Klimawandels. Deshalb unterstützen wir natürlich sämtliche Anträge, welche die Situation verbessern könnten und freuen uns, dass wir – u.a. auch dank SPD und FWG – nun eine zusätzliche Personalstelle haben, welche das Thema grundsätzlich bearbeiten wird.
Als negativ im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwicklung sehen wir auch den unkritischen Umgang mit dem hohen Gut Boden. Zum einen sprechen wir über das Thema Parkplätze in Grünanlagen, z.B. beim Hagengarten und am Rathausbach – eine letzte Grünfläche in der Innenstadt. Zum anderen zeigt der Umgang mit der extrem schnellen Planung eines weiteren großen Baugebietes in der Kernstadt, dass hier verantwortungslos mit der Ressource Boden verfahren wird. Warum warten Sie nicht erst die Wohnraumbedarfsanalyse und die Überlegungen hinsichtlich der möglichen Gründung einer städitschen Wohnungsbaugesellschaft ab – und starten dann mit der Konzeptionierung eines zukunftsfähigen Baugebietes?? Schade, dass sich hier keine Fraktion im Stadtrat zu einem nachhaltigen Handeln entschlossen gezeigt hat.
Insgesamt müssen wir leider festellen, dass ein Kompass für zielgerichtete Maßnahmen und eine integrierte Stadtplanung, die dem Klimaschutz einen gleichberechtigten Stellenwert einräumt, fehlt. An dieser Stelle wäre der Klimavorbehalt ein geeignetes Instrument gewesen, in diesen Prozess einzusteigen. Die Ablehnung durch CDU/FDP und FWG im Umweltausschuss und die genannten Argumentationen können wir nicht nachvollziehen.
Unsere Zielsetzung ist eindeutig die klimaneutrale Kommune. Im Sinne unserer globalen Verantwortung und unserer Verantwortung gegenüber denjenigen, deren Existenzen mit dem Klimawandel gefährdet sind, möchte ich an dieser Stelle an alle Anwesenden appellieren, an diesem Ziel mitzuarbeiten.
Auch wenn diese Rede aufgrund der Dringlichkeit ausschließlich dem Klimaschutz gewidmet ist, liegt uns der soziale Zusammenhalt unserer Kommune sehr stark am Herzen. Die Themen Schaffung von Wohnraum, Bildung, Gleichberechtigung, Jugendhilfe und Wirtschaft, stehen ebenfalls im Fokus unserer Politik. Die Integration der Bürgerinnen und Bürger an der Gestaltung unserer Stadt – wie beim Masterplan Innenstadt oder dem Mobilitätsteilkonzept geschehen – werden wir weiterhin konstruktiv mit vorwärts bringen.
Lassen Sie mich bitte noch zwei kurze Fragen stellen, welche sich mir im Laufe der Beratungen doch aufgedrängt haben:
Liebe CDU/FDP: Wenn der Skater- oder Bikerpark für die Jugendlichen für Sie ein Luxusprojekt darstellt, als was bezeichnen Sie dann einen doppelt so teuren Parkplatz auf der letzten Grünfläche in der Innenstadt?
Wenn Sie die Einführung der Oelder Karte, die Familien mit geringen Einkommen zugute kommt, ablehnen, weil Sie mehr Kosten verursacht und Erträge vermindert, würde ich doch gerne wissen, warum Sie z.B. eine stärkere Überwachung des ruhenden Verkehrs ablehnen, welche Erträge erhöhen würde?
Dem Haushaltsentwurf 2020 fehlt uns immer noch der rote Faden v.a. in Richtung eines nachhaltig angegangenen Klimaschutzes. Finanziell gesehen bietet er jedoch die Arbeitsgrundlage für viele, zweifelsohne wichtige, Projekte für unsere Stadt, weshalb Bündnis 90/Die Grünen dem aktuellen Entwurf zustimmen.
Vielen Dank!“